Aderstedt

Ältester Ortsteil der Gemeinde Huy

Die Ritter von Aderstedt

Das Geschlecht derer zu Aderstedt (in alten Urkunden als „de Aderstede“ oder „de Aderstidde“ bezeichnet) wird erstmals mit Giselbertus de Aderstidde im Jahre 1212 in Urkunden erwähnt. Er wird in mehreren Dokumenten als Zeuge genannt. Zu erwähnen ist hier eine Urkunde aus dem Jahr 1214, in der es um eine bestandene Probe mit glühenden Eisen ging, die aufgrund eines Streites mit ortsansässigen Tempelrittern durchgeführt wurde.

Das Geschlecht derer zu Aderstedt wird somit erstmals urkundlich Anfang des 13. Jahrhunderts erwähnt und erlosch Mitte des 14. Jahrhunderts wieder. Seit wann die Herren zu Aderstedt Besitzungen in Aderstedt hatten, kann nicht exakt ermittelt werden. Das diese die Erbauer der Wasserburg gewesen sein könnten, wäre jedoch eine Möglichkeit, die in Betracht gezogen werden muss.

Im Lehnsverzeichnis der Grafen zu Regenstein wird Adrian von Aderstedt als Vasall des Grafen Heinrich I. von Regenstein (*1175 + 1241) genannt.

Vasallen sind freiwillige Gefolgsmänner, die unter dem Schutz eines Herren (hier Grafen zu Regenstein) stehen und mit Lehen (Land und Amt) bedacht wurden. Diese Lehen waren aktiv (Eigentum) und passiv (durch Vergabe z.B. des Bistums Halberstadt) bei den Grafen zu Regenstein angesiedelt. Im Mittelalter bildete dieses Lehnswesen – auch als Feudalismus bezeichnet – die Grundlage der abendländischen Staats- und Gesellschaftsordnung. Mit der Vergabe des Lehens durch den Lehnsherrn an den Vasallen ging dieser eine Dienst- und Treueverpflichtung ein. So mussten in Kriegszeiten Soldaten zur Verfügung gestellt werden. In nicht seltenen Fällen waren die Vasallen Ritter, die eigene Burgen (sogenannte Vasallenburgen) bauten und Reste unserer Burg finden wir noch heute (siehe Abschnitt Wasserburg).

Gleichzeitig waren die Herren zu Aderstedt aber auch Ministerialen der Halberstädter Bischöfe.

Seit dem 11. Jahrhundert verstand man unter dem Begriff Ministerialen ritterlich lebende Dienstleute mit eigener oder delegierter Herrschaft sowie politischem Einfluss. Seit dieser Zeit bauten Ministerialen auch ihre eigenen Burgen (Ministerialenburg). Diese zeichneten sich meist durch die Nähe von bäuerlichen Siedlungen und Dörfern aus. 

Adrian wird in dem zuvor genannten Lehnsverzeichnis als „dominus Adrianus et frater suus“ bezeichnet. In der Übersetzung heißt dies: „Herr Adrian mit seinem Bruder“. Er hatte u.a. einen Besitz von 2 Hufen (60Morgen) Landes in Dedeleben inne. Aufgrund der Zeit der Entstehung des Lehnsverzeichnisses um 1212 und der bereits zuvor ausgeführten Erwähnung von Giselbertus von Aderstedt zur gleichen Zeit, kann daraus geschlossen werden, dass Adrian und Giselbertus Brüder waren und als Stammväter bezeichnet werden können.

Sowohl Heinrich I. von Regenstein als auch sein Bruder Siegfried II. von Blankenburg hatten neben der Lehen auch Eigentum in Aderstedt. Diese beliefen sich auf 3,5 bzw. 3 Hufe Land. 

Warum hatten beide Besitz in Aderstedt zu ähnlichen Flächen? Dazu muss die Herkunft der Lehen beleuchtet werden.

Als Söhne des Grafen Siegfried I. wurden sie Begründer der jüngeren Linie Regenstein (Heinrich) und der Linie Blankenburg (Siegfried). Ihr Großvater Poppo I. hatte als Neffe Bischof Reinhards von Halberstadt, als dessen Vasall er 1123 erscheint, und Lehnsmann Kaiser Lothars III. Halberstädter Reichs- und andere geistliche Lehen erhalten (u.a. Grafschaft Harzgau). Er nennt sich selbst ab 1228 Graf von Blankenburg. Neben diesen Lehen verhalf der Bischof zu weiteren Zukäufen, die die Macht seiner Familie durch Poppo I. stärken sollten.

Da es sich um ähnliche Flächen handelte, kann der Schluss gezogen werden, dass es sich bei diesen Besitzungen um Erbanteile handelt, die bereits auf Poppo I. zurückgehen, denn der erbberechtigte Sohn Poppo`s, Siegfried I., verstarb auf dem Kreuzzug 1172 nach Jerusalem. Er begleitete Heinrich den Löwen. Somit hatten sowohl die Grafen aus Regenstein als auch aus Blankenburg hier Eigentum. Siegfried II. schenkte seine Anteile dem Kloster Michelstein.

Die Herren zu Aderstedt hatte neben Lehen in Dedeleben und Aderstedt auch Eigentum in den Ortschaften Aderstedt und Anderbeck. Um 1290 übertrug der Burggraf zu Magdeburg dem Ritter Johannes I. und seinem Sohn Adrain III. 2 Hufen Landes nebst Hofstätten in Anderbeck.

Johannes wird auch als Zeuge in einer Urkunde aus dem Jahr 1280 erwähnt und als Schwiegersohn des Gottfried von Vorsfelde bezeichnet. Weiter führt der Autor aus:“ Mittels dieser Urkunde wird also eine Verwandschaft der Herren von Hondelage mit den Herren von Brunsrode, von Vorsfelde und von Aderstedt belegbar.“

Einen weiteren Verweis auf die Herren zu Aderstedt ist im „Verzeichnis der in denen Herzogthümern Meklenburg ausgestorbenen Geschlechter“ zu ffinden:

„...Dieses aus dem Stifte Halberstadt hieher gekommene Geschlecht, erlosch alhier im 14. Jahrh. Es führte im silbernen Schilde eine blaue roth besaamte Blume, welche der Breite nach durchschnitten, und beyde Theile in etwas von einander gestellet. Auf den Helm, dessen Deken silbern und blau, erschiene eben eine solche Blume zwichen zwey einmal der Breite nach von blau und silber wechselweise getheilten Flügeln.“

 Warum erscheinen die Herren von Aderstedt in diesem Verzeichnis? Was hatten diese mit dem Herzogtum Mecklenburg zu tun und warum sieht das beschriebene Wappen anders als unser heutiges Wappen aus, das sich doch auf dieses Geschlecht bezieht?

Um dieses offensichtliche Missverständnis aufklären zu können, muss die Generationsgeschichte derer zu Aderstedt angesehen werden. Anhand der vorliegenden Urkunden und Dokumente, konnte folgende höchstwahrscheinliche Generationsabfolge festleged werden:

  

     1. Generation

Giselbertus, Adrian I.

        2. Generation

Ulrich, Johannes I., Adrian II.,

        3.Generation (Johannes` Söhne)

Heinrich, Adrian III.

        4. Generation

Johannes II., Margaretha

Diese Aufstellung ist sicherlich nicht vollständig, da Dokumente aus der Zeit vor Giselbertus fehlen und nur z.T. die verwandtschaftlichen Verhältnisse aus den Urkunden ersichtlich waren, dennoch gibt sie einen Einblick in die Aufeinanderfolge der Generationen.

In den „Jahrbüchern des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde“ sind weitere Hinweise zu finden. Die Grafen von Schwerin hatten im Lande Braunschweig Besitzungen u.a. auch das Dorf Bischofsdorf. Die Grafen verliehen eine Teil an ihre Vasallen, den Rittern von Aderstedt. Diese wohnten, den weiteren Ausführungen nach, nur eine Meile von Gevensleben (lag nahe dem Dorf Bischofsdorf) auf ihrem Rittergut. Die mittelalterliche Meile war, je nach Messmethode, zwischen 7 und 11 km lang. Der Luftweg von Aderstedt nach Gevensleben beträgt ca. 11km. Somit ist auch hier die Verbindung zu unserem Aderstedt gegeben.

In einer Urkunde aus dem Jahr 1305 wird Heinrich von Aderstedt als Ritter und Hofmarschall am Hofe zu Schwerin bezeichnet. Er handelt sich eindeutig um den in 3. Generation erwähnten Heinrich (Sohn des Ritters Johannes I.).

Wie gelangte Heinrich an den Hof zu Schwerin?

Darauf gibt uns eine Abhandlung von Mülverstedt (Leiter des Staatsarchivs in Magdeburg im 19. Jahrhundert) ein mögliche Antwort.

Detlev von Gadebusch heiratete Anfang des 13. Jahrhunderts eine Tochter der Edelherren zu Schwanebeck. Die Witwe erscheint ohne Namensnennung zusammen mit Ihren Söhnen in einer Schenkungsurkunde von 1255. Hier wird als Zeuge Ritter Adrian genannt. Von Mülverstedt geht in seiner Abhandlung davon aus, dass die Aderstedter Ritter im Zuge der Heirat der Schwanebecker Edelfrau mit nach Mecklenburg gegangen sind. Dies dürfte für einen Teil der Familie zutreffend sein. Diese These wird durch Ausführungen im Siebmachers Wappenbuch des abgestorbenen Mecklenburger Adels bestätigt. Hier ffinden sich Hinweise auf Johann und dessen Söhne Heinrich und Adrian und der Verweis auf die Orte Goldenitz und Criwitz, die in Nachbarschaft zu Gadebusch und auch zum Schweriner Hof liegen.

Heinrich hat sich also zusammen mit seinem Vater im 13. Jahrhundert an den Hof der Schweriner Grafen begeben und wurde Anfang des 14. Jahrhunderts zum Marschall ernannt. Er gründete durch den Weggang von Aderstedt eine neue Linie, die er mittels neuen Wappens auch äußerlich von unseren Herren zu Aderstedt abgrenzte.

In einer weiteren Urkunde aus dem Jahr 1313 wird die Zustimmung des Verkaufes der Besitzungen am ehemaligen Dorf Bischofsdorf durch Adrian II., im Namen seiner Neffen , Heinrich II. und Adrian III. (Söhne des Ritters Johannes), erteilt. Nach deren Volljährigkeit und einigen Streitereien verglichen sie sich mit dem Stift Cyriaks zu Braunschweig und stimmten in einer Urkunde aus dem Jahr 1320 endgültig der Übertragung zu. An dieser Urkunde sind auch die 2 Siegel der Brüder Heinrich II. und Adrian III. zu sehen. Die Ursprünge unseres Ortswappens!

In mehreren Urkunden ist also die Rede von den Rittern zu Aderstedt. Somit könnte eine Verbindung zur „Hallerspring“-Sage und auch dem Bericht zum Templermord 1311 (Adrian II.) auf der Schlanstedter Burg gezogen werden. Beide Geschichten werden in der Aderstedter Chronik erwähnt.

In Siebmachers Wappenbuch, Band 6, Abt. 6 (Abgestorbener Adel der Provinz Sachsen) wird die Herkunft des Wappens wie folgt erklärt:

„Ein wenig bekanntes, anscheinend noch im 14. Jahrhundert erloschenes Adelsgeschlecht des Stiftes Quedlinburg und des Stiftes Halberstadt. Der Bruder der Frau Margaretha von Spiegel, Johannes von Aderstedt, siegelte 1338, folgendermaßen:

                Schild: Glocke an einem Balken befestigt, in einem mit Sternen besätem Felde“

Hier finden wir auch den Hinweis auf den Übergang der Besitzungen von Aderstedt an derer von Spiegel. Ab Mitte des 14. Jahrhunderts ffinden wir keine Verweise mehr auf das Geschlecht derer zu Aderstedt. Durch Einheirat der Margaretha zu Aderstedt in das Geschlecht derer zu Spiegel, könnte seinerzeit ein solcher Übergang erfolgt sein.

Margaretha war die Ehefrau von Ritter Burchard Spiegel und wird in zwei weiteren Urkunden erwähnt. Es handelt sich jeweils um Grundstücksübertragungen, die sie auch in Namen ihres Sohnes Friedrich vollzieht. Bemerkenswert ist die soziale Stellung, die Margaretha inne gehabt haben muss, denn sie siegelt mit ihrem eigenem Siegel. Dies ist eine absolute Ausnahme für Frauen zu jener Zeit in ihrem Stand.

Letztendlich ist das Geschlecht deren zu Aderstedt keineswegs als ein Unbedeutendes einzuordnen. Sie hatten eigenen Besitz in größerem Umfang, waren Vasallen zweier Grafen und Ministerialen der Bischöfe zu Halberstadt und wahrscheinlich Erbauer der Wasserburg zu Aderstedt. Weiterhin sind sie der Ursprung einer Mecklenburgischen Adelsfamilie mit Einfluss (Marschallamt) am Schweriner Hofe.

  

Quellen:

Claus-Peter Hesse, Die welfischen Hofämter und die welfische Ministerialität in Sachsen

Codex diplomaticus Anhaltinus/Band 4. Dessau: Emil Barth, 1879

Aderstedter Chronik

Landesarchiv Niedersachsen

Landesarchiv Sachsen-Anhalt

Lehnsverzeichnis der Grafen zu Regenstein

Siebmachers Wappenbuch

Jahrbüchern des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde

Urkundenbuch Halberstadt